Der Faktor Mensch

Maschinen machen keine Fehler – aber Irren ist menschlich. Die Liste der möglichen Ursachen dafür ist lang: Missverständnisse, Nachlässigkeit, Gewohnheiten, Unwissen – wir alle machen manchmal Fehler. Und Anna erforscht sie. Denn oft hat ein vermeintlich zufälliger Fehlgriff einen plausiblen Grund. Ein ungewohntes Interface, die falsche Beleuchtung, eine ungenaue Anleitung – schon steigt die Fehlerrate.

Wird aus einem Fehler ein Vorfall, kommt er auf den Prüfstand. Aber: „Techniker neigen dazu, Fehler zuerst einmal auf technischer Ebene zu untersuchen“, sagt Anna. „Bei ZEISS sind wir da sehr gut. Wir finden zum Beispiel das Molekül, das winzige Unregelmäßigkeiten in einem Kristallgitter ausgelöst hat. Meine Aufgabe ist es dagegen, den Faktor Mensch einzubeziehen, um Arbeitsumgebungen robuster gegen Fehler zu gestalten“, erläutert die promovierte Naturwissenschaftlerin.

Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine

Anna ist dabei Pionierin: Sie erforscht die Berührungspunkte zwischen Wissenschaft und Kommunikation, zwischen Hightech und Menschen. Den Grundstein legte sie mit einem Biologiestudium – das sie durch ein Studium der Wissenschaftsjournalistik ergänzte.

Nach über 15 Jahren in Online-Agenturen und Verlagen als Usability-Spezialistin im Online-Bereich startet Anna im Sommer 2011 bei ZEISS. Sie baut mit Kollegen Seiten im Unternehmens-Wiki auf, betreut eine Benutzercommunity, schreibt Newsletter und Bedienungsanleitungen. Später ist sie in der internen Kommunikation der Halbleiterfertigungssparte tätig und promoviert hier berufsbegleitend mit einer Arbeit über Kommunikationsstrategien des CERN.

Nach acht Jahren Kommunikation bei ZEISS wollte ich aber mehr Technologie erleben und dichter an den Produkten arbeiten. Als ich die Stellenbeschreibung las, wusste ich: Das ist meine Aufgabe.

Und so engagiert sie sich nun für die kontinuierliche Verbesserung der Produktionsprozesse in der Halbleiterfertigungssparte von ZEISS. Sie durchforscht dazu Datenbanken mit bestehenden Vorfall-Protokollen – wird inzwischen aber auch vermehrt direkt von Projektleitern angesprochen, die eine bestimmte Fehlerursache partout nicht ergründen können.

Der Fehler im Detail

Die Fehler sind dabei ganz unterschiedlich: von verwechselten Werkzeugen über Datenlücken in Frachtpapieren bis hin zu Bedienfehlern an Maschinendisplays. Die möglichen Fehlerquellen sind so vielfältig, dass sie mit einem standardisierten Fragebogen in den meisten Fällen nicht aufgedeckt werden können. Beispiel Werkzeugverwechselung: Hier stellte sich heraus, dass die Werkzeugnummer zwar logisch aufgebaut, aber viel zu lang war und damit das Kurzzeitgedächtnis der Werker überforderte. Die griffen in der Folge zum falschen Werkzeug.

Meist liegen die Fehler im Detail, durch eine Analyse vor Ort und die persönliche Befragung der Beteiligten kommt Anna ein gutes Stück weiter: „Bei Bedienfehlern beispielsweise schaue ich mir das Interface genau an – vielleicht unterscheidet es sich in einem wichtigen Punkt von der Nachbarmaschine, an der der Bediener bisher tätig war. Oft übertragen Benutzer ihr gewohntes Verhalten auf neue Arbeitsumgebungen. Das ist zwar verständlich, kann aber zu Fehlern führen.“

Aus Fehlern werden Vorteile

Die Beschäftigung mit menschlichen Fehlern ist in der Industrie noch Entwicklungsland. Für „low risk environments“, also risikoarme Arbeitsumgebungen, in denen Fehler weder Menschenleben kosten noch Havarien auslösen, fehlt Fachliteratur – auch für das Hightech-Umfeld in der Halbleiterfertigungstechnik. Was fasziniert Anna an ihrer Aufgabe? „Hier kann ich mein naturwissenschaftlich-technisches Verständnis und die lange Berufserfahrung im Bereich User-Experience mit neu erworbenem Wissen zu Produktionsverfahren in der Halbleitertechnologie so kombinieren, dass ganz neue Erkenntnisse entstehen“, sagt sie. 

Die hochtechnologischen Produkte von ZEISS faszinieren sie und sie mag die Zusammenarbeit mit professionellen Teams. „Ich bin stolz darauf, dass sich mittlerweile nicht nur die Produktion für das Thema Usability interessiert – auch andere Abteilungen wollen jetzt unsere bisherigen Erkenntnisse anwenden.“ Und so forscht Anna weiter. Ihre Ziele: jedes Jahr einen wissenschaftlichen Aufsatz über Human Factors schreiben. Und immer weniger Fehler finden.  

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