Brillenglasentwicklung 2000 bis 2020

Mit Freiform flexibler, individueller, modischer

In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich Refraktionstechniken, Herstellungsverfahren, optische Designs, aber auch Ansprüche an die Leistungsfähigkeit von Brillengläsern signifikant verändert. Die Flexibilität, Individualität und die Adapationsfähigkeit von Brillengläsern sind heute so groß wie nie zuvor. Technologie und persönliche Bedürfnisse, Sehkomfort und Vorlieben, modische Trends und die Digitalisierung treiben die Entwicklung voran.

Mit einem kurzen Rückblick auf die letzten beiden Dekaden erinnern wir an Meilensteine anhand des Designs und der Fertigung von ZEISS Brillengläsern. Hier kamen Innovationen zuerst zum Tragen. Heute steht die Brillenglasindustrie an einer Entwicklungsschwelle. Denn was wird den Fortschritt in Zukunft treiben?

Potenziale der Freiformtechnologie erkunden

Seit dem Jahr 2000 ist die Freiformtechnologie zur präzisen, flexiblen und individuell berechneten Bearbeitung optischer Oberflächen für die Brillenglasfertigung im Einsatz. Neue Parameter wurden berücksichtigt, die Verträglichkeit deutlich verbessert. Neben den technologischen Möglichkeiten spielen immer auch modische Bedürfnisse eine entscheidende Rolle. Bei Gradal Short I gelingt es, die Progressionszone um 20 Prozent gegenüber Gradal Individual bzw. um 40 Prozent gegenüber herkömmlichen Gleitsichtgläsern zu verkürzen. Für die damals sehr gefragten schmalen Fassungen mit nur 16 Millimetern Anpasshöhe die optimale Lösung.

Manufacturing

Präzise Daten für präzise Brillenglaskalkulation

Für die Anpassung an das persönliche Sehprofil und das Auge ist aber die Revolution der Refraktionstechnik wichtiger. Prozessbedingt sind bei der subjektiven Refraktion Messschritte von 0.25 Dioptrien gesetzt. Die Bestimmung des Startpunktes der Sehkraftbestimmung hängt sehr von Erfahrung des Optikers, der Tagesform des Konsumenten ab. Mit der Kombination aus subjektiver Refraktion und objektiven Vermessungsmethode ist dieses Problem gelöst. Doch der ZEISS i.Profiler liefert vor allem eine Vielzahl an individuellen Daten des vermessenen Auges. Mit der Wellenfronttechnologie werden bis zu 1.500 Messpunkte pro Auge berücksichtigt. Die Anpassung des Brillenglases an Sehfehler höherer Ordnung, die Vermessung bei unterschiedlichen Pupillenweiten zur Simulation des Dämmerungs- und Nachtsehens führen zu deutlich komplexeren, aber eben auch optisch optimierten, verträglicheren Brillengläsern, die um ein Vielfaches stärker an persönliche Bedürfnisse und Sehprofile adaptiert werden können. Seit Einführung der Horizontalsymmetrie 1983 und der Individual-Gleitsichtgläser 2000 ist damit eine neue Stufe der Entwicklung erreicht.

Materialvielfalt und Qualität

Carl Zeiss und Ernst Abbe konnten ihre revolutionären optischen Instrumente erst vervollkommnen, als Otto Schott optische Gläser entwickelte, deren Eigenschaften gezielt beeinflusst werden konnten. Dieses Grundprinzip bestimmt auch die Brillenglasindustrie. Neue Kunststoffe mit verbesserten Materialeigenschaften spielen eine zentrale Rolle und wären ein eigenes Kapitel wert. Der Siegeszug photochromer Gläser, die Durchsetzung von Kunststoffen mit Brechungsindex 1.74 mögen hier als Beispiele genügen.

In der Vergangenheit wurde Mineralglas meist als preiswerte Alternative gesehen und nur noch von einer Minderheit wegen überlegender optischer Eigenschaften und besonderer Beständigkeit geschätzt. Seit alle Mineralgleitsichtgläser auch in Freiformtechnologie produziert werden können, überzeugt diese Kategorie heute durch die Kombination ihrer Vorteile mit den Möglichkeiten der Individualisierung und Adaption vor allem besonders anspruchsvolle Kunden. Neue Materialien helfen auch bei mehr Gesundheitsschutz für das Auge: So sind seit 2018 alle klaren ZEISS Brillengläser mit vollem 400nm-UV-Schutz, also wie bei Sonnenbrillengläsern, ausgestattet. Das reduziert zum Beispiel das Risiko für Grauen Star, die häufigste Augenerkrankung im Alter.

Perfektes Glas für Mode, Leben und Arbeit

Mit der objektiven Refraktion und neuen Gleitsichtglasdesigns gelang vor allem die Perfektion der Anpassung des Brillenglases an das menschliche Auge und Sehvermögen. Die nächste Stufe betrifft die Verbesserung des Zusammenspiels Fassung-Brillenglas-Auge. Auch dies ist ein eigentlich altes Problem, das zuerst 1933 mit Perivist-Fassungen von ZEISS gelöst wurde, die verrutschsicheren Sitz des Glases mit der Anpassung der Fassung an die menschliche Anatomie möglich machten.

2006 ist das Jahr, in dem ZEISS erstmals flexible Progressionslängen anbietet. In frei wählbaren Schritten von zehntel Millimetern kann die Korridorlänge variabel gewählt werden. War bis dahin die Entscheidung zur Progressionslänge ein Kompromiss, der auf der Wahl zwischen wenigen Optionen und Fassungsgrößte basieren musste, ließ sich das Gleitsichtglas nun quasi stufenlos und präzise an alle gängigen Fassungsgrößen anpassen.

Dem modischen Freiraum folgt in den nächsten Jahren die Vielfalt an Optionen für die Auswahl der zum Lebens- und Arbeitsstil passenden Gleitsichtbrille. Spezielle Designs für Computer- und Büroarbeit wie ZEISS officelens antworten auf die Anforderungen, die hier an das menschliche Sehen gestellt werden. Die bevorzugten persönlichen Sehdistanzen werden seit 2012 auf den Zentimeter genau für Bildschirm, Büro und mittlere Sicht gemessen und ins Brillenglas eingearbeitet.

Diese Entwicklung ist nicht allein aus augenoptischen oder designtechnischen Gründen interessant. Immer stärker spielen gesundheitliche Aspekte hinein. Das Bedürfnis nach entspanntem und ermüdungsfreiem Sehen gehört mittlerweile zum Kanon der Selbstverständlichkeiten. Gesundheitsrelevante Anforderungen an die Leistungsfähigkeit moderner Präzisionsbrillengläser werden immer entwicklungsentscheidender, je stärker das Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten vor allem in etablierten Märkten zunimmt. Der Mehrwert, den ein Gleitsichtglas zu bieten hat, wird damit auch an Faktoren gemessen, die dem klassischen optischen Design fremd waren.

Beschichtung für Beständigkeit und Stil

Ohne High-Tech-Beschichtung kein Brillenglas: Auch auf der Oberfläche des Glases finden neue Technologien Anwendung. Verbesserte Funktionalität heißt hier: Kratzfestigkeit, Klarheit, einfache Reinigung – heute Standard für moderne Brillenglasbeschichtungen, die aus bis zu neun hauchdünnen Schichten aufgedampfter Metalloxide bestehen.

Das Antireflex-Beschichtungsfahren erfahren, 1935 erstmals für Ferngläser eingesetzt und seit 1959 für Brillengläser verfügbar, ist prinzipiell unverändert. Neu sind die Leistungsmerkmale, die für Konsumenten vor allem Bequemlichkeit und Haltbarkeit des Produkts bedeuten. Für die Industrie sind Hartlackschichten, die 50 Mal dünner als ein menschliches Haar sind, und auf die mehrere, nanometerdünne Keramikschichten aufgebracht werden, aber bis heute eine der technologisch anspruchsvollsten Herausforderungen. Die Beherrschung der Materialvielfalt, vor allem aber die Sicherung gleichbleibender Qualitäten für Freiformgläser – jedes dieser Gläser ist in Dicke, Oberfläche, Größe und Form selbstverständlich ein Unikat – stellt eine Höchstleistung dar.

Wenn wir die modische Vielfalt wie Gesundheitsbewusstsein und Lebensstil als Entwicklungstreiber beschreiben, gilt dies natürlich auch für Beschichtungen. Verspiegelungen oder Reflexfarben bedienen vor allem ästhetische Bedürfnisse.

Sehen in der digitalen Welt

Beschichtungen etwa gegen Anteile blauen Lichts, die im Verdacht stehen, das Auge zu schädigen, sind die Antwort auf gesundheitsrelevante Forderungen. Mit Computerbildschirmen, Smartphones und eReaders sind Geräte unverzichtbarer Bestandteil des Alltags geworden, die für das menschliche Sehen vor allem eins bedeuten: Stress, gesundheitliche Risiken und ungewohnte Sehbedingungen. Andere Leseabstände, Mühe mit kleinen Schriften, schnelle und häufige Blickwechsel, unnatürliche Lichtzusammensetzungen mit Auswirkungen auf Schlaf-Wach-Rhythmus und Hormonstoffwechsel – wie andere Hersteller adressiert ZEISS diese Veränderungen mit neuen Brillenglasdesigns für die digitale Welt.

Doch anders als bei manchen Technologien der Vergangenheit ist die Adaption von Gleitsichtgläsern an die speziellen und spürbaren Herausforderungen intensiver Nutzung digitaler Geräte keine Option mehr, die der Kunde wählt oder nicht. Besonders ab Mitte 30 kann das menschliche Auge diese Belastungen nicht mehr ohne Anstrengungen ausgleichen. Sehhilfen für die digitale Welt werden Standard wie Beschichtungen oder individuelle Progressionslängen.

Mehr Optionen oder neue Klarheit?

Alle führenden Hersteller nutzen Freiformtechnologie und haben in den letzten 20 bis 25 Jahren eigene Designphilosophien herausgebildet. Die Produktionstechnik mag gleich sein, die Auswahl an Materialien begrenzt – aber die Designs und Glasoptionen unterscheiden sich bei Markengläsern deutlich. 

ZEISS setzt beim Design auf klare, dynamische und dünne Optik. Mit Digital InsideTechnology sind im Design auch die unterschiedlichen Lesedistanzen bei digitalen Geräten bzw. gedruckten Medien berücksichtigt. Damit bieten alle ZEISS Gleitsichtgläser besseres Sehen für das Auge in der digitalen Welt. Die bewährten Designgrundsätze für lineare Übergänge in alle Richtungen, große und klare Korridore und präzise Progressionsverläufe bieten die Grundlage für alle Gleitsichtgläser, weil damit hohe Verträglichkeit in allen Nutzungsumgebungen gesichert wird.

Eine Beobachtung der Konsumentenbedürfnisse, des Wettbewerbs und der marktgängigen Angebote führt zur Frage, welche Trends die Zukunft bestimmen werden. Gleitsichtgläser für Linkshänder, Autofahrer, Smartphone-Nutzer, Vielleser, Farbfehlsichtige, Büroarbeiter, Golfspieler und viele Varianten mehr sind verfügbar. Die Fülle der beworbenen Technologien ist ein weiterer Indikator, dass die Möglichkeiten der Freiformtechnologie und des digitalen Brillenglasdesigns noch lange nicht ausgeschöpft sind. Doch helfen noch mehr Technologien, noch mehr Optionen und Leistungsmerkmale dem Augenoptiker und dem Konsumenten? Oder ist es immer schwerer, noch einen Überblick über die Gleitsichtglasportfolios zu gewinnen? Und damit immer schwieriger für den Optiker, gut zu beraten und klare, individuelle Empfehlungen zu geben – wie es für den Konsumenten eigentlich unmöglich wird, eine informierte Entscheidung für die für ihn beste Wahl zu treffen? Soll im Gleitsichtglasdesign alles verwirklicht werden, was augenoptisch und technisch machbar ist?

ZEISS hat sich entschieden, das gesamte Gleitsichtglasportfolios bedarfs- und bedürfnisorientiert zu gestalten. Technologien und innovative Leistungsmerkmale werden ins Brillenglasdesign integriert, wenn sie dem Verbraucher einen klaren, spürbaren Nutzen bringen, den Augenoptiker in seiner Beratung und im Verkauf unterstützen und wenn es ein Marktpotenzial dafür gibt. Das ZEISS SmartLife Portfolio bietet auch alle Arten und Optionen für Gleitsichtgläser und ihre Individualisierung. Dennoch ist es sehr einfach zu verstehen, zu erklären und zu verkaufen.

Wie auch immer Brillenglashersteller ihre Innovationspolitik ausrichten, bleiben aber grundsätzliche Trends intakt und bestimmend: Individualisierung, Digitalisierung, die Anpassung von Glasdesigns an modische und gesundheitliche Aspekte sowie der Bedarf, maßgeschneiderte Gleitsichtgläser für individuelle Lebens- und Arbeitsweisen anzubieten. Auch für ZEISS werden diese Fortschrittstreiber die Glasentwicklung bei optischen Designs und funktionalen Beschichtungen für die nächsten Jahre definieren.

 

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