Sehen verstehen

Was ist der Unterschied zwischen individuellen Brillengläsern und Brillengläsern von der Stange?

Der Weg, mit Brille wieder natürlich zu sehen.

16. Mai 2019
  • Was ist der Unterschied zwischen individuellen Brillengläsern und Brillengläsern von der Stange?

Von außen kann man nicht erkennen, ob es sich um ein individuelles Brillenglas oder eins „von der Stange“ handelt. Was macht den Unterschied aus? Für welchen Brillenträger lohnen sich individuell optimierte Brillengläser ganz besonders? BESSER SEHEN befragte Volker Gahr, Senior Product Manager bei Carl Zeiss Vision.

BETTER VISION: Herr Gahr, wann sind Brillengläser individuell?

Volker Gahr: Zuerst einmal ist eigentlich auch jedes Standard-Brillenglas irgendwie individuell auf seinen Brillenträger angepasst – d.h. gefertigt. Denn vordergründig geht es zunächst um die Umsetzung der Verordnung – also die richtige Brillenglasstärke mit korrekter Position in die ausgewählte Brillenfassung zu bringen, um wieder gut sehen zu können. Mit meiner Brille würde ein anderer Brillenträger nur durch Zufall gut sehen können. Von individuell „optimierten“ Brillengläsern sprechen wir, wenn darüber hinaus schon im Optik-Design – also in der Berechnung der idealen Glasoberflächen – weiter relevante und individuelle Daten des Brillenträgers berücksichtigt werden.

Prinzipiell gilt: Für beide Brillenglastypen führt der Augenoptiker oder der Augenarzt eine Refraktion durch und stellt die Verordnung fest.

Welche Brillengläser werden benötigt?

  • Einstärkengläser für die Fernsicht
  • Einstärkengläser für die Nahsicht, eine Lesebrille beispielsweise
  • Gleitsichtgläser
  • Welcher Dioptrienwert, spezielle Zylinder...

Danach wählt der Brillenträger ein Brillengestell aus. Und spätestens jetzt trennen sich die Wege. Der Augenoptiker vermisst beim Brillenglas „von der Stange“ zwar den Durchblickpunkt beider Augen durch die jeweilige Brillenfassung, um das Brillenglas, das er beispielsweise bei ZEISS bestellt, später korrekt einschleifen zu können. Aber der letztliche Sitz der Brillengläser vor dem Auge – bedingt durch die ausgewählte Brillenfassung – wurde bei der Berechnung der Brillengläser nicht berücksichtigt.

Volker Gahr, Senior Product Manager bei Carl Zeiss Vision

Von individuell „optimierten“ Brillengläsern sprechen wir, wenn darüber hinaus schon im Optik-Design – also in der Berechnung der idealen Glasoberflächen – weiter relevante und individuelle Daten des Brillenträgers berücksichtigt werden.

Volker Gahr

Senior Product Manager bei Carl Zeiss Vision

BESSER SEHEN: Also unterscheiden sich individuell optimierte Brillengläser insbesondere bei der Anpassung der Brillengläser in die Brillenfassung?

Volker Gahr:  Nicht nur, aber ganz entscheidend an dieser Stelle. Je genauer ZEISS weiß, wie ein Brillenträger mit der jeweiligen Brillenfassung durch das Brillenglas blickt, desto genauer kann dieses so angefertigt werden, dass es den Brillenträger natürlich und optimal durchblicken lässt. Er erhält genau dort die perfekte, optische Sehunterstützung, wo er sie benötigt. Dazu muss der Augenoptiker neben dem Punkt, an dem der Brillenträger beim Blick geradeaus durch das Brillenglas blickt, wichtige weitere individuelle Parameter ermitteln – und das auf den Zehntelmillimeter genau.

Wichtig ist das persönliche Sehverhalten: Wie ist beispielsweise der individuelle Lese- oder Arbeitsabstand zum Computerbildschirm? Wie ist die Durchblickhöhe durch das Brillenglas in der jeweiligen Fassung? Wie ist die Vorneigung der Brillenfassung? Dies ist nicht nur von der Fassung, sondern auch vom Gesichtsprofil abhängig. Wie ist der Hornhautscheitelabstand, d.h. der Abstand zwischen dem Auge und dem Brillenglas? Wie ist die Durchbiegung der Brillenfassung? Ich muss die Fassungsdimensionen, die Scheibenhöhe und -länge exakt vermessen.

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Je genauer der Augenoptiker alle Parameter kennt, desto exakter kann die Optik, das Brillenglasdesign, von ZEISS optimiert werden. Damit die Brillenfassung (und somit das Brillenglas) später nicht anders auf der Nase sitzt, wird daher heute der Sitz der Brillenfassung bereits vor dem Ermitteln dieser Zusatzdaten vom Augenoptiker angepasst.

BESSER SEHEN: Dauert die Vermessung dieser ganzen Parameter nicht wahnsinnig lange, und wie kann sie so genau sein?

Volker Gahr:  Da kommt die Technik ins Spiel. Das   i.Terminal®2  , das Zentriergerät von ZEISS, liefert mit Hilfe einer Hightech-Kamera objektive Bilder des Brillenträgers mit der Fassung von vorne und von der Seite. Die Software vermisst dann alle entscheidenden Zentrierdaten und speichert sie ab. Das i.Terminal®2 arbeitet auf den Zehntelmillimeter genau. Trotzdem dauert diese Vermessung nur kurze Zeit und liefert dennoch alle entscheidenden Daten ganz exakt.

BESSER SEHEN: Wie kommt es dann zum individuell optimierten Brillenglas?

Volker Gahr: Beim Augenoptiker werden die gesamten Vermessungsdaten von der Refraktion, der Zentrierung und evtl. auch der objektiven Messung mit dem i.Profiler® gesammelt. Stehen Ausstattung, wie etwa Brillenglasmaterial/-art, Art der Beschichtung und eine evtl. Tönung, fest, werden alle Daten an ZEISS übermittelt. Dort werden die Brillengläser mit allen Vorgaben des Augenoptikers individuell berechnet und in einer speziellen Fertigungstechnologie – der sogenanntens „Freiformtechnologie“ – produziert. ZEISS gehört zu den Pionieren in der Entwicklung dieser Technologie, und bis heute entwickeln wir diese Art der Brillenglasfertigung immer weiter.

Die Optik kann dank der Freiformtechnologie genau so gefertigt werden, wie sie am idealsten für den Brillenträger in Verbindung mit der gewählten Brillenfassung ist. Man erreicht damit, dass man möglichst wieder natürlich sehen kann und speziell bei Gleitsichtgläsern größtmögliche sowie scharfe Sehbereiche für die unterschiedlichen Sehentfernungen erhält. Sind Fassung, Brillengläser, Sehgewohnheiten und Gesichtsform im Zusammenspiel nicht perfekt aufeinander abgestimmt, ist ein entspanntes und natürliches Sehen kaum möglich. Die beiden Augen müssen dann möglicherweise starke Anstrengungen unternehmen, die einzelnen Seheindrücke zu einem zu verschmelzen. Unverträglichkeit, Kopfschmerzen oder Verspannungen können die Folgen sein.

ZEISS gehört zu den Pionieren in der Entwicklung dieser Technologie, und bis heute entwickeln wir diese Art der Brillenglasfertigung immer weiter.

Volker Gahr

Senior Product Manager bei Carl Zeiss Vision

BESSER SEHEN: Dann kommen die Qualitätsunterschiede bei Gleitsichtgläsern durch die individuellen Parameter zustande, die in das Glas eingearbeitet werden?

Volker Gahr: Ganz genau. Man kann das sehr gut mit dem Blick durch ein Fernglas vergleichen. Sie haben eine hoch entwickelte Optik vor Augen. Wenn Sie allerdings das Fernglas nicht auf Ihren Augenabstand einstellen, sehen Sie nicht scharf. Oder Sie blicken durch ein Schlüsselloch. Sie werden nur dann gut und entspannt sehen, wenn Sie mit den Augen ganz nah an das Schlüsselloch herangehen. Der Vorteil von einem individuell optimierten Gleitsichtglas: Wir erreichen eine hohe Spontanverträglichkeit. Selbstverständlich muss sich jeder erst einmal an eine neue Gleitsichtbrille gewöhnen. Wie lange das dauert, ist von Fall zu Fall ganz unterschiedlich. Aber an ein individuelles Gleitsichtglas gewöhnt man sich sehr viel schneller

BESSER SEHEN: Eine letzte Frage: Für wen lohnen sich individuell optimierte Brillengläser ganz besonders?

Volker Gahr: Generell kann man sagen, jeder bekommt durch ein individuell optimiertes Brillenglas die bestmögliche Lösung. Aber je höher oder je spezieller die Verordnung, desto stärker wird der Leistungsunterschied zu Standard-Brillengläsern. Und umso angenehmer und entspannter wird das Sehen.

Bei Nachtsichtproblemen kann zusätzlich mit Hilfe der i.Scription®  Technologie die Brillenglasstärke individuell auf das Sehen bei Nacht oder während der Dämmerung optimiert werden. Denn bei vielen Menschen ändert sich die benötigte Korrektur bei weit geöffneter Pupille. Individuelle Sehfehler können so ausgeglichen werden, indem die Brillenglaswerte zusätzlich optimiert werden. 

Doch auch weitere Kundengruppen können von individuell optimierten Brillengläsern profitieren. Zum Beispiel im Bereich Brillengläser für den Arbeitsplatz: Dort können wir insbesondere den Sehbereich für mittlere Entfernungen, z.B. auf den Computerbildschirm, auf die persönlichen Bedürfnisse hin optimieren. Das Anamnese-Gespräch mit dem Augenoptiker ist hierbei von größter Wichtigkeit. Denn er muss genau herausfinden, wie die Sehbedürfnisse des individuellen Kunden sind und was die ideale Sehlösung leisten soll.


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