Myopie

Kurzsichtigkeit bei Kleinkindern erkennen und behandeln

20. Januar 2025

Wenn ein Kind beginnt, die Welt zu entdecken, nutzt es dazu alle Sinne: Tasten, Schmecken, Hören, Riechen und Sehen. Die Entwicklung des kindlichen Sehens ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Angleichungsprozesse im Auge. Was bei Babys und Kleinkindern im Alter von einem bis fünf Jahren leicht unbemerkt bleiben kann, ist eine Sehschwäche. Und diese kann, zu spät bemerkt, Folgen für das weitere Leben haben.

  • lachendes Kleinkind mit roten Locken und roter Brille

Um es vorwegzunehmen: Bei kleinen Kindern ist es schwierig, Sehschwächen zu erkennen und richtig zu diagnostizieren. Die Sehschärfe eines Erwachsenen erreicht ein Kind frühestens im Alter ab fünf Jahren. Als Kleinkind nimmt es aufgrund seiner schlechten Sehschärfe seine Umgebung zunächst nur innerhalb der sogenannten Greifdistanz wahr, die weiter entfernte Umgebung nur verschwommen. In diesem frühen Stadium entwickelt sich aber bereits das binokulare Sehen, also das beidäugige Sehen durch sensorische und motorische Koordination des rechten und des linken Auges. Damit geht einher, dass das Kind nach und nach die gesamte Umgebung um sich herum immer besser erkennt.

Entwicklung des Sehens bei Kleinkindern

Neugeborene Kinder sind grundsätzlich weitsichtig.1 Mit zunehmendem Alter entwickeln sich die Länge des Auges und der Brechwert der Linse. Zudem entwickelt sich die Sehschärfe erst im Laufe der Zeit. Insgesamt braucht die Entwicklung des kindlichen Sehens mehrere Jahre. Läuft alles wie von der Natur vorgesehen ab, wird das Kind rechtsichtig (emmetrop) und weist keine Fehlsichtigkeit auf. Der Prozess der Emmetropisierung dauert jedoch ca. sieben bis acht Jahre, und während dieser Zeitspanne – vor allem zu Beginn des Entwicklungsprozesses – kann es zu einem breiten Spektrum an Sehvermögen kommen – von starken Weit- bis zu starken Kurzsichtigkeiten oder hohen Astigmatismen, die sich aber allesamt wieder normalisieren können. Gerät dieser Prozess jedoch konstant aus dem Gleichgewicht, kommt es zur Fehlsichtigkeit, also zu Weit- oder Kurzsichtigkeit. Eine Kurzsichtigkeit (Myopie) entsteht am häufigsten, wenn das Auge im Vergleich zum Brechwert seiner brechenden Medien (Hornhaut, Linse, Kammerwasser und Glaskörper) zu lang wächst. Kurzsichtige Menschen können Objekte in der Ferne also nur verschwommen erkennen.

Vorbelastungen für das Entwickeln einer Myopie

Es gibt genetische Vorbelastungen, die eine fehlsichtige Entwicklung von Kindern in Richtung einer Myopie beeinflussen können. So ist die Wahrscheinlichkeit für ein Kleinkind, kurzsichtig zu werden, höher, wenn mindestens ein Elternteil kurzsichtig ist. Sind beide Eltern kurzsichtig, tragen Kinder ein noch höheres Risiko. Bei Vorbelastungen dieser Art wird Eltern angeraten, das Sehvermögen der Kinder regelmäßig von Kinder- oder Augenärzten prüfen zu lassen – und damit so früh wie möglich zu beginnen.

Grundsätzlich werden erste umfassende augenärztliche und orthoptische (Orthoptik, früher auch als Sehschuluntersuchung bezeichnet) Untersuchungen für Kinder bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr empfohlen, da sich das Sehen in den ersten beiden Lebensjahren besonders schnell entwickelt. So können eventuelle visuelle Einschränkungen frühzeitig erkannt und mit der richtigen präventiven Behandlung abgemildert werden.

Junges Mädchen im Augenuntersuchungsraum
Junges Mädchen im Augenuntersuchungsraum

Ursachen und Gründe für eine Myopie und Behandlungsmethoden

Da starke Kurzsichtigkeit nicht nur die Lebensqualität von kleinen und größeren Kindern beeinträchtigt, sondern im Erwachsenenalter zu schweren Folgeschäden am Auge führen kann, ist es wichtig, die Myopie schon bei Kleinkindern zu behandeln.

Für eine solche Prävention eignet sich laut Empfehlungen von Augenärztinnen und -ärzten eine Brille sehr gut, da sie das korrekte Augenwachstum unterstützen kann. Darüber hinaus ist sie auch von kleinen Kindern relativ gut händelbar, und das Angebot an speziellen Baby- oder Kleinkindbrillen ist ausreichend groß.

Risikofaktoren für das Augenwachstum von Kleinkindern

Die größten Risikofaktoren für das Augenwachstum von Kleinkindern sind das Nahsehen durch Tablet & Co. und fehlendes natürliches Tageslicht.

Das Nahsehverhalten, das die Dauer, den Sehabstand zum Objekt und Pausen während der Naharbeit umfasst, wird mit der Entwicklung von Kurzsichtigkeit in Verbindung gebracht. In der Regel sind Naharbeit-Tätigkeiten Lesen, Schreiben, Zeichnen und die Bildschirmzeit (Dauer der Exposition gegenüber Computer-, Laptop-, Tablet- und Smartphone-Bildschirmen).2

Ein ausgeprägteres Nahsehverhalten bei der Nutzung von Smartphone & Co. durch das langanhaltende Starren kann also eine Kurzsichtigkeit begünstigen. Die Kurzsichtigkeit nimmt weltweit bei Kindern zu. In einigen Fällen kann es zu einer hohen oder fortschreitenden Myopie kommen, bei der die Kurzsichtigkeit außergewöhnlich schnell zunimmt. Da starke Kurzsichtigkeit nicht nur die Lebensqualität von kleinen und größeren Kindern beeinträchtigt, sondern im Erwachsenenalter zu schweren Folgeschäden am Auge führen kann, ist es wichtig, die Myopie schon bei Kleinkindern zu behandeln. Denn eine Kurzsichtigkeit lässt sich nur einbremsen, aber nicht rückgängig machen.

Je früher solche Beeinträchtigungen also erkannt und behandelt werden, umso größer ist die Chance, dass sich auf beiden Augen das Sehvermögen optimal entwickelt. Dazu ist es aber wichtig, dass Eltern oder Erziehungsberechtigte darauf achten, dass sich die Verhaltensweisen der Kinder ändern. Das bedeutet, dass sie nur eine sehr begrenzte Zeit vor dem Smartphone & Co. verbringen und Aktivitäten im Tageslicht gefördert werden sollten.

Kurzsichtigkeit bei Babys und Kleinkindern erkennen

Eltern von Kleinkindern merken natürlich, dass es dem Kind schwerfällt, sich auszudrücken oder gar schlechtes Sehen zu beschreiben. Selbst Fünfjährige mit einer Sehschwäche wissen ja nicht, wie normales Sehen sein sollte.

Aber es gibt Anzeichen für eine Kurzsichtigkeit des Kindes. Wenn Kinder Schwierigkeiten haben, Objekte in der Ferne scharf zu sehen, werden sie zum Beispiel Aktivitäten vermeiden, die gutes Sehen in der Ferne erfordern, wie das Betrachten von Bildern an der Wand oder das Spielen von Ballspielen.

Einfacher für Eltern zu erkennen sind häufiges Zusammenkneifen der Augen, um besser zu sehen, Augenreiben, häufiges Blinzeln oder Kopf- und Augenschmerzen. Alles mögliche Anzeichen dafür, dass ein Kind nicht gut sieht.

Weitere Signale, die auf eine Kurzsichtigkeit bei kleinen Kindern hindeuten, sind ihre Sehgewohnheiten im Alltag. So neigen kurzsichtige Kinder dazu, Bücher oder Bildschirme sehr nah an ihre Augen zu halten. Haben sie Probleme, Gegenstände in der Ferne klar zu sehen, werden sie näher heranlaufen, um sie besser betrachten zu können.

Sobald ein Kleinkind sprechen kann, sollte es Objekte in der Ferne gut beschreiben können. Wenn es sichtbare Schwierigkeiten hat, den Gegenstand zu erkennen, die Augen zusammenkneift oder in Richtung des Gegenstandes läuft, kann das ein Hinweis auf eine Kurzsichtigkeit sein.

Augenuntersuchungen für Kleinkinder

Eine erste kinderärztliche Untersuchung der Augen findet im Rahmen der dritten Vorsorgeuntersuchung (U3) statt – also zwischen der vierten und fünften Lebenswoche. Danach sollten Kinder ihre erste umfassende Augenuntersuchung im Alter von sechs Monaten erhalten. Dies ist die sogenannte U5, bei der bereits mithilfe eines Augenspiegels festgestellt werden kann, ob das Kind schielt. Im Alter von drei und dann nochmals im Alter von fünf oder sechs Jahren bzw. vor der Einschulung sollten die Augen spätestens erneut untersucht werden – dann auch mit einem für Kinder angepassten Sehtest. Diese Augenuntersuchungen bzw. Sehtests führen Kinderärztinnen und -ärzte durch.

Die Schuleingangsuntersuchung (S1 oder SEU) ist im Übrigen eine Pflichtuntersuchung, die in Deutschland nach festgelegten Kriterien der einzelnen Bundesländer durchgeführt wird. Zum Standard gehört die Kontrolle der Sehfähigkeit der künftigen Schülerinnen und Schüler. Geprüft werden die Sehschärfe, das räumliche Sehvermögen und das Farbensehen. Bei Auffälligkeiten empfiehlt die Ärztin oder der Arzt die Vorstellung des Kindes bei einem Augenarzt. Dieser untersucht die Sehfähigkeit des Kindes eingehender und entscheidet, ob es eine Brille, Kontaktlinsen oder eine andere Behandlung benötigt.

Im Schulalter empfiehlt es sich, Kinderaugen alle zwei Jahre zu prüfen, wenn keine Sehkorrektur erforderlich ist. Kinder, die eine Brille oder Kontaktlinsen tragen, benötigen Untersuchung gegebenenfalls in kürzeren Zeitabständen.

U-Untersuchungen für die Augen und das Sehvermögen

kleiner Junge hält sich das rechte Auge zu. Im Hintergrund eine Buchstabentafel mit Buchstaben in verschiedenen Größen
  • Abklärung von Augenerkrankungen in der Familie. Prüfung auf Auffälligkeiten von Augapfel, Augenlidern, Pupillen sowie auf Augenzittern.

  • Abklärung von Augenerkrankungen in der Familie. Inspektion des Auges. Prüfung der Augenreaktionen: Schaut das Baby aufmerksam in nahe Gesichter, folgt es mit den Augen einem bewegten Gegenstand nach beiden Seiten, wie reagieren die Pupillen auf Licht?

  • Inspektion des Auges. Prüfung der Augenreaktion: Folgt das Baby mit den Augen einem Gegenstand? Seit 2017: Test auf Schielen, Ungleichsichtigkeit, Grauen Star.

  • Im Alter von ca. sechs Monaten sollten Kinder ihre erste umfassende Augenuntersuchung erhalten. Dies ist die sogenannte U5, bei der bereits mithilfe eines Augenspiegels festgestellt werden kann, ob das Kind schielt.

  • Inspektion des Auges. Prüfung der Augenreaktion:
    Wie reagieren die Pupillen auf Licht? Hat das Kind eine schiefe Kopfhaltung? Test auf Schielen, Ungleichsichtigkeit, Grauen Star.

  • Inspektion des Auges. Prüfung der Augenfunktion:
    Wie reagieren die Pupillen auf Licht? Kann das Kind räumlich sehen? Schielt es? Wie gut ist die Sehschärfe?

Spezielle Form der Kurzsichtigkeit: die fortschreitende Myopie

Je früher Kurzsichtigkeit bei Vorschulkindern erkannt wird, umso besser für ihre künftige Entwicklung. In vielen Fällen reicht schon ein klassisches Brillenglas, das die Sehschwäche korrigiert. Handelt es sich jedoch um eine fortschreitende Myopie, bei der die Kurzsichtigkeit also über das normale Maß hinaus zunimmt, ist eine frühzeitige Behandlung notwendig. Diese Behandlung, die bis in Teenager- oder junge Erwachsenenalter hineinreichen kann, nennt sich Myopie-Management.

In vielen Fällen ist es schwierig, vor dem siebten Lebensjahr zuverlässig zu ermitteln, ob eine eventuell vorliegende Kurzsichtigkeit des Auges fortschreitend ist oder nicht. Der Grund ist, dass (Augen-)Ärzte Messwerte hinsichtlich der Lichtbrechung (Refraktion) und Achsenlänge des Auges zwar bei einer jeder Untersuchung erhalten können, aufgrund des Wachstums des Auges und seiner Parameter aussagekräftige Messwerte hinsichtlich der Wachstumskurve (auch genannt: Perzentilkurven, Normkurven) meist erst ab einem Alter von ca. sieben Jahren vorliegen haben. Erst wenn diese gemessenen Werte mit denen der Normkurve abgeglichen werden können, kann eine Aussage darüber getroffen werden, ob das Wachstum des Auges noch im Normalbereich ist oder nicht. Außerdem ist es im Kleinkindalter durchaus normal, dass eine hohe Weit- oder Kurzsichtigkeit vorliegt. Erst mit den Werten der Wachstumskurve ist eine korrekte Refraktion ermittelbar.

Es gibt aber Indikatoren, die Augenärzten wie Augenoptikern wichtige Informationen über das Auge eines heranwachsenden Kindes liefern. Kinder im Alter von sechs Jahren sollten als Richtwert +0,75 Dioptrien aufweisen – also eine leichte Weitsichtigkeit. Liegen die Dioptrien darunter, deutet dies auf ein prä-myopes Auge, also auf eine Myopie hin – vor allem dann, wenn sie deutlich unter dem Richtwert liegen.

Eine Gruppe von Kindern mit Brille liegt glücklich im Kreis auf dem Boden

Spezielle Brillengläser für das Verlangsamen einer fortschreitenden Myopie

ZEISS bietet spezielle Brillengläser für eine fortschreitende Myopie. Das ZEISS MyoCare Brillenglasportfolio wurde speziell dafür entwickelt, das zu starke Wachstum des kindlichen Auges zu verlangsamen. Anders als herkömmliche Brillengläser haben ZEISS MyoCare Gläser kleine Mikrostrukturen, die gleichzeitig mehrere scharfe und unscharfe Bilder aus verschiedenen Entfernungen auf der Netzhaut erzeugen. Dieser sogenannte simultane myope Defokus sorgt nachweislich dafür, dass das Auge weniger in die Länge wächst – sich also in möglichst normalen Parametern entwickelt.

Eltern von Kindern im Vorschulalter sollten also keinesfalls in Panik ausbrechen, wenn sie Anzeichen für eine Kurzsichtigkeit bei ihrem Kind entdecken. Eine Abklärung beim Augenarzt und Augenoptiker wird schnell Klarheit bringen – und sollte es sich tatsächlich um fortschreitende Kurzsichtigkeit handeln, stehen moderne Behandlungsmethoden bereit.


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  • 1

    Sankaridurg P, Tahhan N, Kandel H, et al. IMI Impact of myopia. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2021;62(5):2. https://doi.org/10.1167/iovs.62.5.2

  • 2

    Samrat Sarkar, What Does Science Say About Screen Time and Juvenile-Onset Myopia? - Review of Myopia Management

  • 3

    Cristina Alvarez-Peregrina et. al., https://www.frontiersin.org/journals/public-health/articles/10.3389/fpubh.2020.560378/full

  • 4

    Cristina Alvarez-Peregrina et. al., https://www.frontiersin.org/journals/public-health/articles/10.3389/fpubh.2020.560378/full