Ernst Abbe
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Ernst Abbe

Physiker, Erfinder, Unternehmer & Sozialreformer

Er hat in allen Bereichen seiner Tätigkeit Herausragendes geleistet und damit entscheidend zum technischen Vorsprung, zum Geschäftserfolg und zum Fortbestand der Unternehmen ZEISS und SCHOTT beigetragen.

Ernst Abbes Biographie

Ein Überblick

  • Ernst Abbe, 1857
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    1840 – 1865

    Ausbildung

    Ernst Abbe wurde am 23. Januar 1840 in Eisenach geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Mit Hilfe eines Stipendiums konnte er seine Ausbildung zum Mathematiker und Physiker beginnen. Er studierte von 1857 bis 1861 in Jena und Göttingen. 1863 habilitierte sich Abbe in Jena, wo er dann als Privatdozent arbeitete.

  • Ernst Abbe, 1866
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    1866 – 1888

    Wissenschaftler

    Bereits als junger Wissenschaftler stellte Abbe dem Unternehmer Carl Zeiss seine Kenntnisse zur Verfügung. 1866 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter. Seit 1870 wirkte Abbe als Professor an der Universität Jena. Die von ihm entwickelte Theorie der Abbildung im Mikroskop machte ihn zum Begründer der wissenschaftlichen Optik und verschaffte Carl Zeiss einen wichtigen technologischen Vorsprung:

    Hatte man Mikroskope zuvor nur nach Erfahrungswerten hergestellt, so baute man sie ab 1872 auf der Grundlage wissenschaftlicher Berechnungen und erreichte damit wesentlich bessere optische Eigenschaften. Dies wiederum machte bahnbrechende Forschungen in Biologie und Medizin, wie z.B. die von Robert Koch und Paul Ehrlich, möglich. Carl Zeiss machte 1876 den engagierten Mitarbeiter zu seinem Teilhaber und bestimmte ihn zu seinem Nachfolger in der Unternehmensleitung. Nach dem Tod des Unternehmensgründers im Jahr 1888 und dem Erwerb von Anteilen seiner Nachkommen wurde Ernst Abbe alleiniger Leiter des Industriebetriebs.

  • Ernst Abbe, 1870
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    1884 – 1905

    Unternehmer

    Gemeinsam mit Otto Schott, Carl Zeiss und Roderich Zeiss gründete Abbe 1884 in Jena das Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen. Der Weltruf von SCHOTT als einer der weltweit führenden Spezialglashersteller hat seinen Ursprung in der erfolgreichen Zusammenarbeit von Abbe, Zeiss und Schott.

    Abbe war ein überaus erfolgreicher Unternehmer. 1862 waren bei Carl Zeiss 25 Mitarbeiter beschäftigt, die einen Umsatz von 12.618 Mark erwirtschafteten. Im Todesjahr Ernst Abbes umfasste das Unternehmen knapp 1.400 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von über 5 Millionen Mark.

  • Ernst Abbe, 1880
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    1889 – 1896

    Stifter

    Abbe war auch ein mutiger Reformer, der mit seinen sozialpolitischen Ideen seiner Zeit weit voraus war. Um den Bestand der Unternehmen Carl Zeiss und SCHOTT unabhängig von persönlichen Eigentümerinteressen zu sichern, gründete Abbe im Jahr 1889 die Carl-Zeiss-Stiftung, die er 1891 zur Alleineigentümerin der Zeiss Werke und zur Miteigentümerin der SCHOTT Werke machte (1919 übertrug auch Otto Schott seine Anteile am Glaswerk auf die Stiftung).

  • Ernst Abbe, 1894
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    1896 – 1905

    Reformer

    Mit dem Stiftungsstatut von 1896 verlieh Abbe dem Betrieb eine einzigartige Unternehmensverfassung. Neben seinerzeit außerordentlich fortschrittlichen Bestimmungen zur Unternehmensführung und zu rechtlich verankerten Arbeitsbeziehungen spiegelte sich auch das soziale Engagement Abbes im Statut wider. So gab es für die Beschäftigten Mitspracherechte, bezahlten Urlaub, Beteiligung am Ertrag, ein verbrieftes Recht auf Pensionszahlungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und von 1900 an den Achtstundentag. Auf diese Weise wurden die Stiftungsunternehmen Carl Zeiss und SCHOTT zu Vorreitern der modernen Sozialgesetzgebung. Abbes erstaunliche Schaffenskraft ist in zahlreichen Erfindungen und in seinen Schriften zu wissenschaftlichen, unternehmerischen und sozialen Themen belegt. Er starb am 14. Januar 1905 in Jena.

Verdienste als Unternehmer

Erzielung von hohen Wachstumsraten des Unternehmens

Umsatzentwicklung

  • 12.618 Mark (1862) auf 5.097.719 Mark (1904/05)
  • Durchschnittliches jährliches Wachstum ca. 14,5%
  • Umsatzrenditen zwischen 9 % (1903) und 44% (1880)

Mitarbeiter

  • von 25 Mitarbeiter in 1866 auf 1363 Mitarbeiter in 1905
  • Durchschnittliches jährliches Wachstum ca. 10,5%
  • Jährliche Effizienzsteigerung um ca. 4%

Erfolgreiche Anpassung der Unternehmensorganisation an das hohe Wachstum

Es wurden Erzeugnisgruppen (Sparten) mit klaren Verantwortlichkeiten der wissenschaftlichen, technischen und kaufmännischen Mitarbeiter geschaffen.

Erhalt von Rentabilität trotz des enormen Wachstums

Integration von F&E in das Unternehmen zur Entwicklung von Innovationen
Wissenschaftliche Mitarbeiter wurden für alle Sparten eingestellt, die sich erfolgreich um Innovationen kümmerten und so die Technologieführerschaft von Carl Zeiss herstellten.
Heranbildung fähiger Mitarbeiter und Nachfolger auch im unternehmerischen und kaufmännischen Bereich.
Durchsetzung hoher Qualitätsstandards durch Heranbildung fähiger Mitarbeiter und durch Qualitätskontrollen.

Diversifizierung in den 1890er Jahren durch den Aufbau neuer Geschäftsbereiche:

Analysenmessgeräte

  • Photo
  • Ferngläser
  • Astronomische Geräte
  • Militäroptik

Beginn der Internationalisierung

  • 1894 - Verkaufsfiliale in London
  • 1902 - Verkaufsfiliale in Wien
  • 1903 - Verkaufsfiliale in St. Petersburg
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Patente

Als Liberaler des 19. Jahrhunderts war Ernst Abbe ein Gegner der Patentnahme. Aus diesem Grund sind alle seine Erfindungen auf dem Gebiet des Mikroskopbaus vor 1890 nicht patentiert. Wie viele andere überzeugte Abbe ein Argument vom Sinn der Patentnahme: Die Alternative zur Patentnahme ist die Geheimhaltung. Aber die Geheimhaltung ist für den Fortschritt noch hemmender als das zeitlich befristete Monopol eines Patentes. Deshalb nahm Abbe ab 1890 auch selbst Patente, die aber die wissenschaftliche Forschung nicht beschränken durften.

Jahr

Patent

1890

  • Triplet-Objektiv

1892

  • Justiervorrichtung für Entfernungsmesser
  • Feldstecher (Fernrohr mit Multiplikatorprismen)
  • Scherengelenk

1895

  • Stereoskopischer Entfernungsmesser

1899

  • Vorrichtung zur Betrachtung oder Wiedergabe eines Randteiles von einem durch ein Linsensystem entworfenen Bilde.
  • Linsensystem mit Correction der Abweichungen schiefer Büschel.
  • Verfahren, sphäroidische Flächen zu prüfen und Abweichungen von der vorgeschriebenen Gestalt nach Lage und Größe zu bestimmen.

1901

  • Einrichtung zur Erzeugung einer kugeligen Fläche an einem rotierenden Werkstück.

1905

  • Geschützrohreinsatz, der ein zum Justieren der Zielvorrichtung zu benutzendes Visierfernrohr trägt.

Wissenschaftler

Kurz nach Entwicklung der neuen Mikroskope kam es auf dem Gebiet der Bakteriologie zu entscheidenden Durchbrüchen.

Die medizinische Forschung in Deutschland errang in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg einen Weltrang, der fast nur mit dem Weltrang der ZEISS Geräte zu vergleichen ist. Emil Behring auf dem Gebiet der Serologie oder Paul Ehrlich auf dem Gebiet der Chemotherapie sind nur Beispiele. Ihre Erfolge sind sicherlich nicht monokausal auf ihre Instrumente zurückzuführen, aber sie wurden durch sie gefördert.

Verdanke ich doch einen großen Teil der Erfolge, welche mir für die Wissenschaft zu erringen vergönnt war, Ihren ausgezeichneten Mikroskopen.

Robert Koch

1904

Ernst Abbe im Kreise der Jenaer Universitätsprofessoren 1894
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Ernst Abbe im Kreise der Jenaer Universitätsprofessoren 1894

Auch in der Chemie kam es zu einem beispiellosen Aufschwung. Hierfür stellte die Firma Carl Zeiss Produkte zur Verfügung, die zum Teil Spezialanfertigungen waren. Zum Beispiel spezielle Gasinterferometer, die schon weit vor dem Krieg für Fritz Haber entwickelt wurden.

Abbe beharrte darauf, dass die neuen optischen Gläser auch anderen Fabrikanten zur Verfügung zu stellen waren. Das half der deutschen optischen Industrie insgesamt auf die Beine. Abbe war skeptisch bezüglich der Patentnahme, weil er in ihr ein Hemmnis des allgemeinen wissenschaftlichen Fortschritts sah. Erst als es aufgrund des Konkurrenzdruckes nicht mehr zu vermeiden war, begann man bei Fotoobjektiven und bei den Ferngläsern mit der Patentnahme. Seine frühen bahnbrechenden Arbeiten blieben aber zum allgemeinen Gebrauch offen, was sicherlich dem Instrumentenbau in Deutschland wesentlich half.

Mit Hilfe des Abbeschen Komparator-Prinzips wurden Geräte zur hochgenauen Messung von Werkstücken hergestellt. Für die deutsche Industrie, die weniger auf Masse als vielmehr auf Präzisionsfertigung ausgerichtet war, waren das wichtige Hilfsmittel.

In den 1860er Jahren setzte der Prozess der Integration von Wissenschaft in der Industrie ein. Neben Carl Zeiss waren Siemens und Bayer andere Vorreiter. Ernst Abbe selbst trieb diesen Prozess voran, indem er wissenschaftliches Personal einstellte.

Historische Aufnahmen

  • Ernst Abbe, 1875.
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    Ernst Abbe, 1875.

  • Geburtshaus von Abbe in Eisenach.
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    Geburtshaus von Abbe in Eisenach.

  • Berechnungen von Ernst Abbe zur Wasserimmersion von 1886.
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    Berechnungen von Ernst Abbe zur Wasserimmersion von 1886.

  • Else Abbe mit ihren Töchtern Paula und Grete.
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    Else Abbe mit ihren Töchtern Paula und Grete.

  • Grosses Krystallrefractometer nach Abbe, 1893.
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    Grosses Krystallrefractometer nach Abbe, 1893.

  • Ernst Abbe, 1876
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    Ernst Abbe, 1876

  • Abbe-Refraktometer, um 1900.
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    Abbe-Refraktometer, um 1900.

  • Flußspatsuchfeld Oltschikopf bei Brienzwiler (Schweiz) um 1901
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    Flußspatsuchfeld Oltschikopf bei Brienzwiler (Schweiz) um 1901: Hier suchte Abbe Flußspat. (Ernst Abbe ist am Fenster zu sehen)

Erfindungen

Seit dem Beginn der Zusammenarbeit mit Carl Zeiss machte Ernst Abbe kleinere und größere Beiträge zum Fortschritt des Mikroskopbaus. Die Geschichte all dieser Verbesserungen ist noch nicht bis ins Detail geschrieben. Schon früh hatte Abbe Ideen für weitere Produkte, aber erst seit 1890 brachte das Unternehmen auch andere optische Instrumente auf den Markt. In der folgenden Liste finden sich seine bekanntesten Erfindungen.

Jahr

Erfindungen

1867

  • Fokometer

1869

  • Refraktometer
  • Kondensor
  • Beleuchtungsapparat für Mikroskope

1870

  • Apertometer

1874

  • Spektrometer

1877/78

  • Erstes Mikroskop mit homogener Immersion (Ölimmersion)

1880

  • Stereookular

1886

  • Neue Mikroskop-Objektive und -Okulare aus Spezialgläsern des Glastechnischen Laboratoriums (Schott & Gen.)
  • Apochromate mit Kompensationsokularen

1887

  • Sphärometer

1889

  • Dickenmesser

1891

  • Komparator

1893

  • Dilatometer
  • Prismenfeldstecher
  • Stereoskopischer Entfernungsmesser

1894

  • Prismenfernglas mit erweitertem Objektivabstand

1901

  • Mikrospektroskop

Ernst Abbe – der Reformer

Viele Unternehmen fingen im späten 19. Jahrhundert an, betriebliche Sozialpolitik zu betreiben. Jede einzelne der Maßnahmen Abbes (zum Beispiel Krankenversicherung, Pensionen und 8-Stunden-Tag) hat Vorläufer. Das Entscheidende bei Abbe ist, dass er in ganz bewusster Opposition zum "Herr-im-Haus"-Standpunkt andere Unternehmer diese Sozialleistungen nicht als Wohltaten, sondern als Rechte der Mitarbeiter verankerte.

Es wurde eine eigene Interessenvertretung der Mitarbeiter geschaffen. Diese Vertretung hatte zwar kein Mitbestimmungsrecht, aber doch das Recht in allen Fragen des Betriebes gehört zu werden.

Die Arbeitsbeziehungen wurden insgesamt mit Hilfe des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung verrechtlicht. Diese Verrechtlichung und diese institutionellen Mechanismen zur Konfliktregelung sind Vorläufer der sozialen Marktwirtschaft.

Toleranz ist ein entscheidender Begriff in Abbes Denken. Obwohl Abbe sicherlich kein Sozialdemokrat war, war es ihm wichtig, dass sich diese Partei frei entfalten konnte. Auch wandte er sich vehement gegen Rassismus, der zu seiner Zeit bereits sein Unwesen trieb. Er sorgte dafür, dass bei Carl Zeiss niemand wegen seiner Religion, Abstammung oder politischen Meinung benachteiligt wurde. Das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass sein engster Mitarbeiter in der Geschäftsführung, Siegfried Czapski, ein Jude war.

Förderung von Wissenschaft und Kultur: Als Privatmann förderte Ernst Abbe die Universität durch anonyme Spenden. Nach Gründung der Carl Zeiss-Stiftung wurde die Förderung der Universität und auch der Stadt Jena durch diese Stiftung betrieben.

Sozialleistungen

1875

Ernst Abbe gründet die Betriebskrankenkasse bei Carl Zeiss

1886

Gründung des Ministerialfonds für wissenschaftliche Zwecke

1887

Einrichtung eines Fonds für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Beschäftigten

1888

Gemeinsames Pensionsstatut der Zeiss und Schott Werke

1889

Errichtung der Carl-Zeiss-Stiftung am 19.05.1889

1890

Einführung des Neun-Stunden-Tages bei Zeiss

1896

Mindestlohn für die Betriebsangehörigen
Beteiligung der Mitarbeiter am Gewinn
Gewährung von Urlaub für die Mitarbeiter
Gründung einer Baugenossenschaft
Gründung des Lesehallenvereins und Schaffung der Lesehalle Jena

1899 bis 1903

Unterstützung beim Ausbau der Physikausbildung durch Errichtung von Nebenprofessuren und Instituten (Mikroskopie 1899 bzw. 1902/03, angewandte Mathematik 1902, technische Physik 1902/03, Neubau Physikalisches Institut 1901/02).

1900

Der Acht-Stunden-Tag wird bei Zeiss eingeführt.

1903

Eröffnung des Volkshauses Jena

Historische Aufnahmen

  • Abbesches Dilatometer, 1893.
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    Abbesches Dilatometer, 1893.

  • Prof. Dr. Ernst Abbe mit seiner Frau Else Abbe
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    Prof. Dr. Ernst Abbe mit seiner Frau Else Abbe, geb. Snell, auf einer Mittelmeerfahrt von der Reeling des Schiffes.

  • Abbe mit Strohhut am Gartentor seines Hauses um 1900.
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    Abbe mit Strohhut am Gartentor seines Hauses um 1900.

  • Ernst Abbe und Otto Schott begutachten das kettenlose Fahrrad von Paul Rudolph.
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    Ernst Abbe und Otto Schott begutachten das kettenlose Fahrrad von Paul Rudolph.

  • Ernst Abbe im Kreise der Jenaer Universitaetsprofessoren 1894.
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    Ernst Abbe im Kreise der Jenaer Universitaetsprofessoren 1894.

  • Ernst-Abbe-Denkmal um 1910.
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    Ernst-Abbe-Denkmal um 1910.

  • Grabstätte von Prof. Ernst Abbe.
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    Jubiläumsfeier: 150 Jahre Carl Zeiss Jena – Grabstätte von Prof. Ernst Abbe.