Markus Wiedmann, Zeiss SMT
Markus Wiedmann, ZEISS SMT
SMT Magazin
Unsichtbares sichtbar machen
11. September 20255 Min.Lesedauer
Astrophysikerinnen und Astrophysiker hören Unhörbares und sehen nicht Wahrnehmbares. Möglich wird dies dank Gravitationswellendetektoren. Die Detektoren können Gravitationswellen sichtbar machen. Vor zehn Jahren, am 14. September 2015, gelang Forschenden erstmals der Nachweis. Ihre weitere Erforschung ist elementar für das Verständnis des Universums – und auch die ZEISS Sparte Semiconductor Manufacturing Technology (SMT) trägt mit Spezialoptiken dazu bei.
Michael Stolz, ZEISS SMT
Gravitationswellen: Stiller Lärm im Weltall
Für uns unvorstellbar, für Science-Fiction-Heldinnen und Helden wie Kirk, Spock, Kathryn Janeway oder Jean-Luc Picard normal: Im Weltall rauscht, bebt und zittert es. Das Unhörbare und nicht Wahrnehmbare, wie die Kollision von Schwarzen Löchern, können Astrophysikerinnen und Astrophysiker mit Gravitationswellendetektoren belauschen und sichtbar machen. Albert Einstein erwähnte Gravitationswellen bereits 1916 als Konsequenz seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Entdeckt wurden sie aber erst 2015. Die Erforschung dieser Wellen ist entscheidend für unser Verständnis des Universums.
Von aLigo bis Einstein-Teleskop: Aktuelle Projekte der Gravitationswellenforschung
Wie aktuell das Thema ist, zeigen gleich mehrere Projekte: Mit aLIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) ist die Weiterentwicklung des Gravitationswellenobservatoriums geplant, das 2015 die ersten Gravitationswellen nachweisen konnte. Seit 2017 ist Advanced Virgo – eine Weiterentwicklung des Virgo Gravitationswellendetektors von 2007-2011– in Betrieb, das auf dem Prinzip des Michelson-Interferometers basiert. Die europäische Raumfahrtbehörde ESA (European Space Agency) plant mit drei Satelliten des sogenannten LISA-Projekts (Laser Interferometer Space Antenna) ein beeindruckendes Gravitationswellenobservatorium im Weltall aufzubauen. Ein weiteres bevorstehendes Projekt ist das Einstein-Teleskop. Es wird unterirdisch errichtet, um von Menschen verursachte Störgeräusche zu reduzieren, die durch Veränderungen im Gravitationsfeld die hochempfindlichen Spiegel beeinflussen könnten. Der Vorläufer, die Testanlage ETpathfinder, ist ein realistisches Modell jener vibrationsfreien Interferometer, die das Herzstück des Einstein-Teleskops bilden werden. Hier entwickeln und testen Forschende zentrale Technologien des künftigen Einstein-Teleskops. Und genau hier kommen Spezialoptiken von ZEISS Semiconductor Manufacturing Technology (SMT) zum Einsatz.
Überall dort, wo es darum geht, bisher Unsichtbares sichtbar zu machen, ist auch ZEISS SMT nicht weit. Sei es mit einem Mikroskop zu Abbes Zeiten oder heute, wenn hochpräzise Spiegel dafür genutzt werden, Gravitationswellen nachzuweisen. Genau für diesen Zweck hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Einstein-Teleskop-Projekts Spiegelprototypen bei ZEISS SMT angefragt. Ende September 2024 wurden sie ausgeliefert. Alltäglich ist die Herstellung von Gravitationswellenspiegeln – zentrale Elemente der Gravitationswellendetektoren – auch in Oberkochen nicht: „Es handelt sich um höchst anspruchsvolle Unikate, die die Kolleginnen und Kollegen zusätzlich zu regulären Fertigungsaufträgen produzieren mussten“, sagt Dr. Michael Mundt, Head of DUV Modules & Components.
Auch Norman Niewrzella, Cluster Lead Special Optics, weist auf Herausforderungen des Projekts hin, das Flexibilität, Eigeninitiative und Durchhaltevermögen erforderte. Die Politur der Prototypen war sehr komplex. Ebenso herausfordernd war es, sie in den Fertigungsprozess zu integrieren: Hierfür entwickelte und erprobte das ZEISS SMT-Team aus Entwicklung, Engineering, Fertigung und dem Fachbereich teilweise neue Prozesse.
Gemeinsame Anstrengungen für herausragende Ergebnisse
Im Herbst 2024 verließ der erste Prototyp das Oberkochener Werk. Ein großer Meilenstein und Erfolg gemeinsamer Teamanstrengungen vieler Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Bereichen von ZEISS SMT. Möglich wurde dies aber auch dank der Führungskräfte, die den Mitarbeitenden den Freiraum geboten haben, an diesem besonderen Projekt mitzuarbeiten und sie dabei tatkräftig unterstützt haben.
Auch künftig bleiben Spezialoptiken wie Gravitationswellenspiegel etwas Besonderes bei ZEISS SMT. Ihre Fertigung ist herausfordernd, gerade auch innerhalb einer wachsenden Organisation. Das Geschäft ist langfristig angelegt und läuft über viele Jahre. Umso mehr freut sich das ganze ZEISS SMT Team darauf, weitere Spezialoptiken herzustellen. Damit auch künftig Dinge sichtbar gemacht werden, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
„Gravitationswellenspiegel machen das Unsichtbare sichtbar und erweitern unser Verständnis des Universums. Solche Unikate zu fertigen erfordert höchste Präzision und leidenschaftliche Teamarbeit.“
femto Magazin, Ausgabe 01/21, S. 28
So funktioniert ein Gravitationswellendetektor
Ein Gravitationswellendetektor besteht aus zwei kilometerlangen Röhren, in denen Laserstrahlen hin- und herlaufen. Die Röhren sind luftleer gepumpt, um Störungen durch Luftmoleküle zu minimieren, und mit vibrationsgedämpften Spezialspiegeln ausgestattet. Die Laserstrahlen werden auf einen Lichtsensor gelenkt und erzeugen dort ein Hell-Dunkel-Muster. Kommt eine Gravitationswelle vorbei, verändert sich die Länge der Röhren leicht, da sie durch die Gravitationswelle gedehnt oder gestaucht werden. Als Folge verschieben sich die Wellen der Laserstrahlen gegeneinander. Dadurch ändert sich auch das Hell-Dunkel-Muster auf dem Lichtsensor. Der Detektor ist sehr empfindlich und kann die winzigen Veränderungen in der Länge der Röhren und den Verschiebungen der Laserstrahlen messen. Durch die Analyse des Flackerns des Hell-Dunkel-Musters kann der Detektor vorhandene Gravitationswellen erkennen.
AutorNorman NiewrzellaCluster Lead Special Optics bei ZEISS SMT