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Hocheffizienter Energiemix für den Hightech-Standort Jena

Ein Interview mit Marian Käding, externer Berater für Energie und Nachhaltigkeit und Verantwortlicher des Energiekonzepts.

14. Oktober 2022 · 6 Min. Lesedauer

Die Bauarbeiten auf der Baustelle des Hightech-Standorts schreiten weiter voran. In Zukunft wird dort ein Gebäude stehen, dessen Energieversorgungskonzept maßgeblich auf den Faktoren Effizienz und Nachhaltigkeit beruht. Die aktuelle geopolitische Lage verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, auf verschiedene Energiequellen zurückzugreifen und diese möglichst effizient zu nutzen. Wie der zukünftige Hightech-Standort energetisch versorgt wird, erklärt Marian Käding (PONE Solutions GmbH).

Der Krieg in der Ukraine hat zu deutlich reduzierten Gaslieferungen aus Russland geführt. Zum Zeitpunkt dieses Interviews ist es nicht ausgeschlossen, dass die Lieferungen sogar komplett eingestellt werden. Was bedeutet das für ZEISS und speziell für das Energiekonzept am Hightech-Standort Jena?

Marian Käding:  „Unternehmen tun derzeit gut daran, die aktuellen Entwicklungen genau und tagesaktuell zu beobachten. ZEISS ist sicher weniger von Erdgas abhängig als Unternehmen anderer Branchen wie beispielsweise der Chemieindustrie. Dennoch gilt es auch für ZEISS, sich auf mögliche Versorgungsknappheit vorzubereiten und Risiken zu minimieren.“

Können Sie ein Beispiel nennen?

Marian Käding:  „Eine Möglichkeit ist, erdgasbetriebene Anlagen auf andere Brennstoffe, zum Beispiel Heizöl umzustellen. In Jena wird ZEISS mit Fernwärme versorgt. Hier wird durch sogenannte „Power-to-Heat“-Anlagen für Ersatz gesorgt. Diese ermöglichen es nach dem Prinzip eines Tauchsieders elektrische Energie in Wärme umzuwandeln. Generell gilt es, alle Einsparmaßnahmen, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie ohnehin laufen, zu beschleunigen und damit die Resilienz insbesondere der Produktionsanlagen zu stärken.“

Was bedeutet die aktuelle Lage speziell für den Hightech-Standort Jena?

Marian Käding:  „Bei der Erstellung des Energiekonzepts für den Hightech-Standort Jena haben wir die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit von Anfang an stark berücksichtigt. Entsprechend investieren wir massiv in grüne Energieträger und lassen uns stark vom Gedanken der energetischen Selbstversorgung leiten. Was in erster Linie als Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung gedacht ist, wird uns auch widerstandsfähiger gegenüber Engpässen bei der Versorgung mit Gas machen.“  

Allerdings sieht das aktuelle Energiekonzept auch ein Blockheizkraftwerk vor, das mit Gas betrieben wird.

Marian Käding:  „Das ist richtig und wir haben uns das Blockheizkraftwerk vor dem Hintergrund der aktuellen Lage auch noch einmal angesehen und entsprechend bewertet. Hierbei kam uns zugute, dass wir bereits früher mehrere Machbarkeitsstudien zu Umfang und Größe des Blockheizkraftwerks erstellt haben. Trotz der aktuellen Krise haben wir letztlich beschlossen, dass wir die Anlage wie geplant errichten werden. Es handelt sich dabei um ein kleines, aber hocheffizientes Kraftwerk, mit dem wir Strom erzeugen werden. Gleichzeitig nutzen wir die Abwärme, um damit das Gebäude zu beheizen. Vor allem bei Produktionsprozessen, die hohe Temperaturen benötigen, müssen wir derzeit noch auf Gas zurückgreifen. Parallel unternehmen wir aber alles, was nach technischem Stand möglich ist, um uns unabhängig vom Energieträger Gas zu machen.“

Geothermie am Hightech Standort Jena

Nutzung alternativer Energiequellen

Welche alternativen Energiequellen kommen beim Hightech-Standort Jena zum Einsatz?

Marian Käding:  „Wir setzen hier auf einen hocheffizienten Energiemix mit dem wir Wärme, Strom, Kälte und Druckluft erzeugen werden. Zentral ist hierbei das Geothermiefeld, das sich in einer günstigen Lage unter dem Hightech-Standort Jena befinden wird. Hiermit können wir gleich zwei Energieformen anzapfen, die wir für unsere spezifischen Produktionsprozesse benötigen: Im Winter entnehmen wir Wärme, im Sommer Kälte. Es handelt sich hierbei also um einen reversiblen Prozess, bei dem wir der Natur im Winter das zurückgeben, was wir im Sommer von ihr bekommen. Das Geothermiefeld ist dabei deutlich effizienter als eine Luft-Wärmepumpe, wie wir sie vielleicht aus dem privaten Umfeld kennen. Sobald der Rohbau steht, werden wir das Geothermiefeld an rund 160 Stellen anbohren und rund 27,5 Kilometer an Leitungen verlegen. Auf diese Weise nutzen wir das Geothermiefeld optimal, sodass wir rund ein Drittel unserer Energie daraus beziehen können.“

Wie sieht es mit der Nutzung von Sonnenenergie aus?

Marian Käding:  „Auch diese spielt eine Rolle in unserem Energiekonzept. So haben wir eine leistungsstarke Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Parkhauses eingeplant. Die Energie, die wir hier gewinnen, wird nicht – wie es oft üblich ist – ins Stromnetz eingespeist, sondern direkt am Hightech-Standort genutzt. Hierzu verlegen wir eine direkte physikalische Leitung entlang der Carl-Zeiss-Promenade und speisen die Energie direkt in unsere Anlagen ein. Wir decken aber nur einen kleinen Prozentsatz unseres Normverbrauchs durch Photovoltaik ab. Grund ist, dass die Dächer des Hightech-Standorts selbst zum Teil aus Glas bestehen werden, um die Innenräume mit natürlichem Licht zu versorgen. Die verbleibende Fläche wird für die Installation der Anlagetechnik, also Kältemaschinen, Lüftungsgeräte etc., benötigt.“  

Welche Möglichkeiten bestehen darüber hinaus, Energie zu erzeugen?

Marian Käding:  „Nicht immer geht es um das originäre Erzeugen von Energie. Manchmal ist es besser, die Energie, die bereits da ist, optimal zu nutzen. Wärme ist beispielsweise immer auch ein Abfallprodukt anderer Prozesse – etwa, wenn wir Kälte oder Druckluft erzeugen. Diese Abwärme müssen wir also nicht erst mühsam von anderen Orten hierher transportieren. Die Wärme ist schon da, wir müssen sie nur noch auf effiziente Weise nutzbar machen und können sie dann für die Beheizung des Gebäudes einsetzen.

Nicht zu vergessen ist das einfachste Mittel zur Erreichung einer hohen Energieeffizienz: Energie einsparen. Dazu arbeiten wir zum Beispiel an der Optimierung von Betriebsprozessen und haben hohe Anforderungen an der Dämmung des Gebäudes. In Summe reduzieren wir mit allen Maßnahmen unsere CO2 Emissionen gegenüber dem Gebäude 70 um rund 60 Prozent. Das ist ein großer Schritt, den wir für die angestrebte DGNB-Zertifizierung in Gold gehen wollen und müssen.“

Aufteilung Wärmeerzeugung am Hightech Standort Jena

Gibt es weitere Maßnahmen, mit denen sich die Effizienz bei der Nutzung von Energie erhöhen lässt?

Marian Käding:  „Ein wesentlicher Bestandteil unseres Energiekonzepts besteht in der Verbindung grüner Energieträger mit einem intelligenten Gebäude. So werden wir von Tag 1 zahlreiche Daten sammeln: Diese Gebäude-, Anlagen, und Produktionsdaten führen wir zusammen und bearbeiten und bewerten sie mithilfe einer künstlichen Intelligenz. So sehen wir, wo und wie Optimierungen möglich sind, um Energie noch effizienter einzusetzen. Wir sind auf diese Weise auch anpassungsfähiger, wenn es zu unvorhergesehenen Veränderungen kommt.“  

Auch wenn der Schwerpunkt bei Ihrem Energiekonzept auf grüner Energie, Energieeffizienz und in weiterem Sinne sogar auf einer gewissen Autarkie liegt – um die Nutzung von Fernwärme kommen Sie dennoch nicht herum.  

Marian Käding:  „Das ist richtig, aber die Fernwärme dient uns in erster Linie als Redundanz. Das bedeutet, dass wir vor allem dann auf Fernwärme zurückgreifen, wenn es eine Störung gibt und eine unserer eigenen Anlagen ausfällt. Gleichzeitig nutzen wir Fernwärme, wenn wir Energiespitzen abdecken müssen – wenn es etwa einen sehr kalten Winter in Jena gibt wie vor zwei Jahren. Wir gehen davon aus, dass Fernwärme knapp 15 Prozent unseres Energiemixes ausmachen wird. Würden wir die Fernwärme nicht nutzen, müssten wir jeweils Reserveanlagen vorhalten – und das wäre alles andere als nachhaltig.“


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