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Vom manuellen Materialfluss zum fahrerlosen Transportsystem

14. Juni 2021 · 7 Min. Lesedauer
Interview mit Thomas Volkholz

Thomas Volkholz ist mit seinem Team seit 2019 verantwortlich für das Thema und simuliert schon heute zukünftige Pr​​ozesse für die Logistik 4.0.

Thomas Volkholz ist mit seinem Team seit 2019 verantwortlich für das Thema und simuliert schon heute zukünftige Pr​​ozesse für die Logistik 4.0.

Interview mit Thomas Volkholz

Die Logistik am neuen ZEISS Hightech-Standort Jena steht ganz im Zeichen der Digitalisierung

​​​​Bestellen, Versenden, Ausliefern – das sind nur einige der zahlreichen Logistikaufgaben, die bereits jetzt für den neuen ZEISS Hightech-Standort geplant werden. Thomas Volkholz ist mit seinem Team seit 2019 verantwortlich für das Thema und simuliert schon heute zukünftige Pr​​ozesse für die Logistik 4.0.

Was gehört alles zum Bereich Logistik?

Prinzipiell kann man sagen, dass wir alle Dinge planen, die sich bewegen. Dazu gehören die unterschiedlichsten Materialflüsse: Wir sind involviert, wenn Lieferungen ankommen, wenn sie im Haus beispielsweise in die Produktion oder in die Büros weiterverteilt werden oder wenn sie an Standorte in der ganzen Welt verschickt werden sollen. Die Themen Entsorgungsmanagement und Handhabung von Gefahrstoffen sowie die Mitarbeit an der Planung der Event- und Küchenlogistik am neuen Standort zählen ebenfalls zu unseren Aufgaben.

Das klingt sehr umfangreich. Sicherlich sind Sie auch deshalb seit Anfang an dabei?

Genau. Die Logistik hat heute einen anderen Stellenwert als noch vor ein paar Jahren. Heute ist die Logistik innovativ aufgestellt, denkt im Vorfeld mit und ist damit auch sparsamer. Wir haben heute eher die Rolle eines Systemführers. Deshalb war es eine unserer ersten Aufgaben, alle Logistikprozesse anzuschauen und zu erfassen. Allein in Jena sind wir dabei auf 250 Logistikprozesse gekommen. Diese wollen wir auf knapp 30 reduzieren.

Ein hehres Ziel. Wie kann man hier optimieren?

Zunächst muss man viele zu komplizierte Abläufe vereinfachen. Die Prozesslandschaft ist historisch gewachsen und häufig sehr kleinteilig gewesen. Jeder ZEISS Bereich hatte eigene Lösungen. Vor allem durch Standardisierung, aber auch durch Automatisierung kann man hier sehr viel erreichen. Da ein integrierter und vernetzter Hightech-Standort das Ziel ist, werden viele Prozesse zukünftig IT-gestützt und papierlos sein. Die digitale Transformation, insbesondere das Vernetzen logistischer Prozesse, sorgt zudem für mehr Transparenz in den Zuliefer- und Versandketten und damit für ein besseres Supply Chain Management – letztendlich können so Material- und Informationsflüsse vom Rohstofflieferanten zum Kunden effizienter koordiniert werden.

Das geht in Richtung Logistik 4.0 – Wo ist Automatisierung in der Logistik möglich?

Für den neuen Hightech-Standort sind fahrerlose Transportsysteme angedacht, die beispielsweise die Fertigung mit Material beliefern, fertige Geräte abholen oder Produktionsabfälle entsorgen. Schwere Lasten müssen also nicht mehr von Mitarbeitenden transportiert werden und entlasten sie damit. Auf lange Sicht könnte sogar die Ladung selbst intelligent werden und ihren eigenen Transport autonom organisieren. Wir planen auch sogenannte AOI-Systeme, die eine optische Inspektion der Packstücke ermöglichen. Volumen- und Gewichtsdaten von Packstücken können damit automatisch erfasst werden, wodurch es zu einer effizienteren Abarbeitung der Sendungen kommt und die nachfolgenden Prozesse transparenter und mit weniger Aufwand dargestellt werden können. Die übergebenen Daten sind dann zum Beispiel direkt für unsere Standorte im Ausland über eine webbasierte Lösung sichtbar. Des Weiteren unterstützen uns solche automatisierten Lösungen auch in den Lagerprozessen. Sie bereiten die Daten so auf, dass wir eine optimale Nutzung der Lager- und Transportkapazitäten umsetzen können.

Hier spielt sicherlich auch das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle?

Nachhaltigkeit ist in der Strategie von ZEISS verankert. Deshalb wollen wir am neuen Standort eine möglichst grüne Logistik umsetzen. Bei Verpackungen setzen wir zukünftig noch stärker auf recyclebares Material. Ein ganz wichtiger Faktor ist aber auch das Thema E-Mobilität. Wir planen für Jena lokale und regionale Transporte mit Elektro-Fahrzeugen, die zwischen dem neuen und dem alten Standort oder dem Standortlogistikzentrum verkehren sollen. Außerdem wollen wir mit einem sogenannten Milkrun-Konzept bei Lieferanten in der Umgebung Ware umweltbewusst abholen. Vorbild für dieses Lieferkonzept war der traditionelle Milchjunge in Amerika und England, der eine Milchflasche nur dann vor die Tür stellte, wenn er eine leere Flasche vorgefunden hat. So war nie zu viel Milch im Haus, die schlecht werden konnte.

Neues Material wird also erst wieder aufgefüllt, wenn alles verbraucht wurde?

So ist es. Viele ZEISS Bereiche lagern heute noch diverse Waren oder Produkte im Werk in Lichtenhain bis zur Weiterverwendung. Da die Flächen am neuen Hightech-Standort so effizient wie möglich genutzt werden sollen, werden Lagermöglichkeiten außerhalb des Gebäudes im Standortlogistikzentrum geschaffen. Für die Bürowelten wird ein ähnliches Konzept verfolgt: Kommen zukünftig Pakete an, werden diese direkt an Packstationen im Gebäude weitertransportiert – ähnlich, wie man es schon heute bei privaten Sendungen kennt. Mitarbeiter sollen durch eine SMS oder E-Mail über ihr Paket informiert und sie können es direkt abholen.

​Einzigartig: Der zukünftige Logistikhof, der sich unter der Erde befindet.​

​Einzigartig: Der zukünftige Logistikhof, der sich unter der Erde befindet.​

​Einzigartig: Der zukünftige Logistikhof, der sich unter der Erde befindet.​

Die Pläne zeigen, dass sich die Logistik zukünftig unterirdisch befindet?

Ja, das ist einzigartig. Der neue Logistikhof mit seinen 4.000 m² Fläche wird unter der Erde sein mit einer Rampe als Zufahrt. Wir wollen eine optimale Anbindung an die Produktion und nicht von Aufzügen in den Montagen abhängig sein. Kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten sind hier unser Ziel. Auch die Hygienevorgaben spielen eine große Rolle, da die Anlieferungen an die Küche ebenfalls über den Logistikhof erfolgen soll und wir so trocken und wetterunabhängig be- und entladen können. Die Warensicherheit für Luftfrachtsendungen wird in Zukunft auch Teil der Werkslogistik sein. Da die meisten ZEISS Bereiche den behördlich anerkannten Status des „Bekannten Versenders" an die Logistik abgeben, wird die Luftfracht in einem Hochsicherheitsbereich mit zwei Röntgengeräten sowie zwei Sprengstoffdetektionsapparaten gesichert bevor sie an die Flughäfen transportiert wird.

Vielen Dank für das Gespräch.​


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