Interview Dr. Peter Leibinger, CTO der TRUMPF Gruppe
ZEISS Beyond Talks

Interview mit Dr. Peter Leibinger, CTO der TRUMPF Gruppe1

Dr. Peter Leibinger ist CTO der TRUMPF Gruppe – ein Weltmarktführer im Bereich Lasertechnologie für die industrielle Fertigung. Hier erzählt er uns, was Laser seiner Meinung nach so besonders macht, welche Rolle sie bei der Entwicklung von KI spielen und warum es gute Gründe gibt, die Zukunft der Menschheit optimistisch zu sehen.

Seit über 175 Jahren stellt man sich bei ZEISS die Frage: Wie können wir die Grenzen der Vorstellungskraft herausfordern? Diese Vision war für ZEISS der Anlass, in der Gesprächsreihe ZEISS Beyond Talks den Austausch mit Vordenkern und führenden Intellektuellen aus der ganzen Welt zu suchen und mit ihnen über ihre Arbeit, ihre Visionen, ihre Leidenschaften und aktuelle Fragen im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung unserer Welt zu sprechen.

Technologie kann gut und schlecht sein – stimmen Sie zu?

Man hat den Eindruck, dass in der Gesellschaft Technologie manchmal als Ursache für unsere Probleme angesehen wird.

Aber wir müssen meiner Meinung nach erkennen, dass wenn wir nicht in einer weltweiten Diktatur leben wollen – sondern in einer freien Welt, in der jeder selbst entscheiden kann, wie er leben möchte –, dann ist Technologie die einzige Lösung. Wenn wir weitermachen wie bisher, mit der Freiheit, die wir so schätzen, und den heutigen Methoden, dann werden wir unseren Planeten zerstören. Wenn wir also unsere Freiheit nicht aufgeben wollen, müssen wir unsere Methoden ändern. Und dann ist Technologie die Lösung.

Warum ist der Laser so wichtig für die Welt?

Das Faszinierendste an Lasern ist, dass es sie nur hier auf der Erde gibt. Vergleichbare Phänomene in der Physik – zum Beispiel Radiowellen – sind überall im Universum zu finden. Aber der Laser ist eine gänzlich menschliche Erfindung.

Laserlicht wurde 1917 erstmals von Albert Einstein beschrieben und 1964 wurde der erste funktionsfähige Laser gebaut. Seither kommt die Lasertechnologie in unzähligen Anwendungen zum Einsatz, von der modernen Telekommunikation bis zur EUV-Lithographie im Medizinbereich. Ob beim Schneiden von Blechteilen, beim Schweißen von Herzschrittmachern oder beim Bau von Batterien für moderne Elektrofahrzeuge – nichts von alledem wäre ohne den Laser möglich.

Dabei haben wir die Tür der Möglichkeiten, die der Laser bietet, erst einen ganz kleinen Spalt geöffnet. Hinter der Tür verbirgt sich ein riesiger Raum von Möglichkeiten, die wir noch überhaupt nicht erkundet haben.

Peter Leibinger, CTO der TRUMPF Gruppe

Wir haben die Tür der Möglichkeiten, die der Laser bietet, erst einen ganz kleinen Spalt geöffnet. Hinter der Tür verbirgt sich ein riesiger Raum von Möglichkeiten, die wir noch überhaupt nicht erkundet haben.

Dr. Peter Leibinger

CTO der TRUMPF Gruppe
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The Podcast

Der Podcast „ZEISS Beyond Talks“ ist eine Interviewreihe mit führenden Wissenschaftlern, bekannten Künstlern und ZEISS Experten aus aller Welt, die wichtige Meilensteine umspannt. Alle Beiträge suchen Antworten auf die Frage: Wie können wir die Grenzen der Vorstellungskraft herausfordern?

Woher nimmt Ihr Team die Inspiration für die Laseranwendungen, die Sie entwickeln?

Da wir bei TRUMPF ein so breites Portfolio von Lasern und tiefgreifende Kenntnis von Laseranwendungen haben, bekommen wir immer wieder neue Ideen von unseren Kunden. Um ehrlich zu sein, brauchen wir selbst gar nicht besonders viel Fantasie – unsere Kunden kommen auf uns zu und fragen uns, was möglich ist.

Wir wären selbst zum Beispiel nie auf die Idee mit der EUV-Lithographie gekommen. Sie kam auf, als unsere Kunden uns baten, ein bestimmtes Problem zu lösen. Die Geschichte, wie der Laser zum idealen Werkzeug für die Herstellung moderner Autobatterien wurde, ist ziemlich ähnlich. Der Kunde hat die Anwendung vorangetrieben.

Das passiert jeden Tag in unseren Laboren. Die universelle Einsetzbarkeit des Lasers und die endlosen Möglichkeiten der Laseranwendung sind die Wachstumstreiber von TRUMPF. Für mich als unternehmerisch denkender Mensch ist der Laser eine wunderbare Geschäftsentwicklungsmaschine.

Sie haben schon mehrmals die EUV-Lithographie erwähnt. Warum ist sie so wichtig?

Die Lithographie ist ein Druckverfahren, das Ende der 1700er Jahren erfunden wurde. Sie kommt heute in vielen Bereichen zum Einsatz, unter anderem bei der Herstellung von Halbleitern.

Vor der Entwicklung der EUV-Lithographie arbeitete man mit der sogenannten 193-Nanometer-Lithographie. Ohne zu sehr in technische Details zu gehen, bedeutet das im Wesentlichen, dass wir jetzt Licht mit einer noch kleineren Wellenlänge verwenden können, um eine Struktur auf einen Wafer zu projizieren.

Um zu verstehen, warum das von Bedeutung ist, müssen wir uns den Motor der Produktivität ansehen, von dem die Welt in den vergangenen 50 Jahren profitierte: das Mooresche Gesetz. Es besagt, dass sich die Rechen- und Speicherleistung von Mikrochips etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Dieses Gesetz gilt seit den 1970er Jahren und hat der Menschheit in dieser Zeit eine immer höhere Produktivität beschert. Aber das Mooresche Gesetz würde bald zum Stillstand kommen, wenn wir nicht die EUV-Lithographie entwickelt hätten. Ohne diese Technologie würde die Welt, wie wir sie kennen – mit neuen und leistungsfähigeren Computern alle zwei Jahre – ihr Ende erreichen.

Peter Leibinger, CTO der TRUMPF Gruppe

Wenn wir also unsere Freiheit nicht aufgeben wollen, müssen wir unsere Methoden ändern, und dann ist Technologie die Lösung.

Dr. Peter Leibinger

CTO der TRUMPF Gruppe

Was wird Ihrer Meinung nach der nächste große Innovationssprung in der Computertechnik sein?

Ich bin mir sicher, dass in Zukunft Quantensensoren eine große Rolle spielen werden. Das sind spezielle Sensoren, die in unserem Alltag omnipräsent sein werden.

Es ist beispielsweise bereits abzusehen, dass unsere Mobiltelefone mit solchen Sensoren ausgestattet sein werden, wodurch wir auf eine ganz andere Art und Weise miteinander kommunizieren können, als wir es bisher gewohnt sind – möglicherweise sogar mit der Kraft der Gedanken. Quantensensoren werden auch Dinge wie das autonome Fahren verbessern, da wir in der Lage sein werden, Navigationssysteme zu bauen, die weitaus präziser sind als unsere heutigen Instrumente.

Für mich besonders faszinierend ist die Aussicht, dass diese Sensoren die medizinische Diagnostik erleichtern werden. Es könnte beispielsweise möglich werden, dass man ganz einfach mit dem eigenen Smartphone eine MRT-Aufnahme macht. Oder zumindest könnte jeder Arzt ein MRT-Gerät haben, das nur einige tausend Euro kostet. Wenn ich dann meine, einen verstauchten Knöchel zu haben, kann ich ganz problemlos zum Arzt gehen und das untersuchen lassen. Die Untersuchung wäre so einfach, dass man sie sogar im Supermarkt durchführen könnte. Ich weiß, das klingt verrückt, aber es ist machbar.

Was sollte aus Ihrer Sicht die Entwicklung dieser neuen Werkzeuge und Produkte bestimmen?

Ein Produkt sollte immer ein inhärentes Qualitätsmerkmal haben, zum Beispiel Robustheit oder Schönheit, aber vor allem sollte es sinnvoll sein. Es muss etwas Gutes in sich haben.

Nehmen wir nochmal die EUV-Lithographie als Beispiel: Das ist ein faszinierendes wissenschaftliches Projekt und eine hochinteressante Geschäftsmöglichkeit. Aber es ist auch sehr sinnstiftend, daran mitzuarbeiten, dass das Mooresche Gesetz nicht zum Ende kommt, sodass neue Anwendungen entwickelt werden können, die unseren Alltag verbessern. Das ist eine gute Sache.

Peter Leibinger, CTO of TRUMPF Group

Es ist abzusehen, dass unsere Mobilgeräte mit solchen Sensoren (Quantensensoren) ausgestattet sein werden. Mithilfe dieser Sensoren werden wir mit diesen Geräten kommunizieren können, möglicherweise sogar mit der Kraft der Gedanken.

Dr. Peter Leibinger

CTO der TRUMPF Gruppe

Wie sehen Sie die Rolle der künstlichen Intelligenz in diesem Zusammenhang?

Ich bin überzeugt: Wenn wir das menschliche Gehirn besser verstehen, werden wir nicht mehr glauben, dass es durch künstliche Intelligenz ersetzt werden kann. Zu diesem Verständnis werden wir mithilfe der Quantensensoren kommen, da sie es uns ermöglichen, Gedanken zu messen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist das faszinierend, aber natürlich auch beängstigend und das Missbrauchspotenzial ist offensichtlich. Aber das ist bei jeder neuen Technologie der Fall. Bereits der erste Stein, der als Werkzeug verwendet wurde, konnte gleichzeitig zur Waffe werden.

Was können wir tun, um Missbrauch zu verhindern?

Ich glaube, das größte Potenzial des Menschen liegt in der Bildung. Wenn es uns gelingt, Bildung zu vermitteln – nicht nur im Sinne der Wissensvermittlung, sondern auch ethische Bildung –, dann hat der Mensch unglaubliches Potenzial.

Der Historiker Rutger Bregman geht in seinem faszinierenden Buch „Im Grunde gut“ davon aus, dass der Mensch im Wesen gut ist. Wir sind in unserem Naturzustand nicht böse und werden nur durch die Zivilisation gut, wie es der englische Philosoph John Locke angenommen hat. Ich bin wie Rutger Bregman absolut davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus gut ist.

Es gibt keine andere Spezies auf der Welt, die so kommuniziert, wie wir es tun, die Scham empfindet und beispielsweise errötet, wenn uns etwas peinlich ist. Wenn uns Bildung so gelingt, dass sie nicht nur reines Wissen transportiert, sondern auch eine ethische Bildung vermittelt, dann sehe ich eine wundervolle Zukunft für die Menschheit.

Peter Leibinger, CTO der TRUMPF Gruppe

Wenn uns Bildung so gelingt, dass sie nicht nur reines Wissen transportiert, sondern auch eine ethische Bildung vermittelt, dann hat der Mensch unglaubliches Potenzial.

Dr. Peter Leibinger

CTO der TRUMPF Gruppe

Über die TRUMPF Gruppe

Die TRUMPF Gruppe ist ein in Deutschland angesiedelter Weltmarktführer bei Werkzeugmaschinen, Lasertechnologie und Elektronik für industrielle Anwendungen. Das 1923 gegründete Familienunternehmen beschäftigt heute mehr als 14.000 Mitarbeiter und hat Produktionsstandorte auf der ganzen Welt.

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